Allein die Ankündigung war eine kleine Sensation. Und tatsächlich stehen heute, gerade mal acht Monate später, die ersten Maxus-Campervans beim Importeur in Landsberg am Lech – inklusive Homologation und Händlernetz. Wundern braucht man sich darüber aber nicht: Hinter Maxus steckt das chinesische Staatsunternehmen Saic, das mit rund fünf Millionen produzierten Fahrzeugen pro Jahr der größte Automobilkonzern des Landes ist. Als (Miet-)Transporter sind die Fahrzeuge bereits seit einiger Zeit auch in Deutschland unterwegs. Und mit La Marca als Importeur hat man sich einen erfahrenen Partner aus der Reisemobil-Branche ins Boot geholt.
„Fertigungsstandard und Qualitätssicherung liegen teils über dem europäischen Niveau“, sagt La-Marca-Chef Karl Schlössl, der mehrfach vor Ort war, um sich selbst zu überzeugen. „Kein Fahrzeug, das nicht auch die Tests auf der Rüttelpiste besteht, verlässt das riesige Werk.“ Dazu muss man wissen, dass Maxus nicht nur die Basis baut. Wie sonst nur bei Volkswagen Nutzfahrzeuge entsteht auch der Ausbau durch den Autobauer selbst – bisher hauptsächlich für China und Australien. Die Gesamtinvestition beträgt 1,7 Mrd. Yuan (rund 218 Mio. Euro) laut Saic/Maxus. Die Ziele für den europäischen Markt sind hoch gesteckt: Fünf Prozent Marktanteil bedeuten rund 3.750 Neuzulassungen pro Jahr. Auch deutlich mehr wäre kein Problem, verspricht Schlössl.
Sehr übersichtlich und gut zu fahren
An der Optik sollte es nicht scheitern: Der Maxus Traveller 9 ist dem hiesigen Ford Transit wie aus dem Gesicht geschnitten. Auch die Technik wirkt vertraut. Der Antrieb kommt von einem 148 PS starker Vierzylinder-Turbodiesel, gekoppelt an ein Sechsgang-Handschaltgetriebe. Wobei eine Wandlerautomatik schon ab Sommer verfügbar sein wird, für voraussichtlich nur 1.200 Euro. Wie bei einigen anderen Euro-6e-Motoren ist der Power-Modus nötig, um das Fahrzeuggewicht von rund drei Tonnen flott in Bewegung zu versetzen. Dann wird auch der Motor, vor allem aber der Turbolader, etwas lauter. Der Spurhalteassistent reagiert sehr sensibel, und er meldet sich lautstark zu Wort, wenn man einer Fahrbahnmarkierung zu nahe kommt. Dafür geht der Maxus locker als sehr übersichtlich durch und auch bei Fahrwerk, Lenkung und Bremse gibt es keine ernsthaften Beanstandungen.
Touchdisplay und haptische Tasten oder Drehregler
Die Front-end-Entwickler sind etwas verschwenderisch im Umgang mit dem 12,3 Zoll großen Touchdisplay, viel Platz geht für eine große Grafik des Transporters drauf. Apple Carplay und das sehr hochauflösende Bild der Rückfahrkamera werden wiederum formatfüllend eingebunden. Und: Zumindest die wichtigsten Infotainment-Features lassen sich über haptische Tasten und Drehregler steuern. Bequeme Pilotensitze mit zwei Armlehnen und auch haptisch ansprechenden Kunstlederbezügen stehen ebenfalls auf der Habenseite.
Besonders beeindruckend ist aber, wie leise sich der Ausbau gibt. Selbst auf schlechten Straßen – von den Möbeln ist absolut nichts zu hören. Hier sortiert sich Maxus ohne Übertreibung zwischen den Herstellern der europäischen Oberklasse ein.
Elektrische Ausstattung
Das Prädikat Oberklasse gilt außerdem für elektrische Ausstattung: Ab Werk ist ein 24-Volt-Bordnetz verbaut, inklusive digitaler Steuerung, Wechselrichter, Ladebooster, Solarpanel und Lithium-Eisenphosphat-Batterie – alles vom renommierten chinesischen Hersteller TBB Power. Gegenüber den weitaus verbreiterten 12-Volt-Systemen kann mit einer Gleichspannung von 24 Volt die doppelte Leistung erzielt und gleichzeitig die Verlustleistung reduziert werden. In der Praxis bedeutet das, dass nur halb so große Leitungsquerschnitte nötig sind und dass sich die Ladezeiten verkürzen, durch eine höhere Leistung bei gleicher Stromstärke. Ein praxisnahes Beispiel: Während eine konventionelle USB-C-Steckdose mit 12 Volt und 5 Ampere maximal 60 Watt abgeben kann (12 V * 5 A = 60 W), sind bei 24 Volt bis zu 120 Watt möglich. Hier kann dann zum Beispiel auch ein Laptop geladen werden.
Auch beim Wandeln auf 230 Volt sind die Verluste geringer – zum Beispiel für den Induktionskocher. Die Batteriereserven von 400 Amperestunden im Testwagen genügen in jedem Fall für eine ganze Weile autarkes Camping.
Maxus setzt auf einen komplett gasfreien Ausbau. Wir würden das Einzel-Kochfeld (Durchmesser 18 Zentimeter) aber um einen mobilen Kartuschenkocher ergänzen.
Die Dieselstandheizung von Webasto ist mit neun Kilowatt dagegen sehr üppig dimensioniert.
Üppiger Wohnraum mit Smart-TV
Gilt das Prädikat „üppig“ auch für den Wohnraum? Für die Sitzgruppe auf jeden Fall. 140 Zentimeter misst der Bereich zwischen B-Säule und Nasszelle – ein top Wert im Sechs-Meter-Kastenwagen.
Neben der hohen Kompetenz in Kunststofffertigung punktet die Rückbank, deren bequem ausgeformte Einzelsitze über Isofix verfügen. Zudem lassen sich die Lehnen in der Neigung verstellen – perfekt für einen Kinoabend, auch dank Smart-TV über dem Fahrerhaus.
Der 86 mal 41 Zentimeter große Tisch mit mittigem Fuß und Getränkehaltern steht sehr stabil, jedoch fehlt die Erweiterung, sodass er vom Beifahrersitz aus nicht wirklich gut erreichbar ist. Zwei Personen sollten jedoch gut auskommen.
Schlanker Küchenblock
Der Küchenblock gegenüber ist zwar eher schlank geraten, doch noch am ehesten nach europäischem Standard. Neben dem Induktionskochfeld gibt es ein recht großes Spülbecken inklusive Schneidbrett als Abdeckung und weiter eine klappbare Arbeitsplattenerweiterung (48 mal 24 Zentimeter) an robusten Konsolen. Ein einzelner Induktionskocher wäre uns aber zu wenig. Im Korpus bleibt Platz für die üblichen Schubladen und Staufächer.
Der Kompressorkühlschrank mit separaten Gefrierfach (20 Liter) ist in einem deckenhohen Schrank untergebracht und darüber Staufächer für allerhand Vorräte. Er stammt ebenfalls aus chinesischer Fertigung, arbeitet angenehm leise und verfügt über die übliche Steuerung per Touch, was ganz ordentlich funktioniert.
Die Nasszelle: knapp - dafür mit Ventilator
Dann allerdings wird es eng. In der Nasszelle bleiben auf Höhe der Kassettentoilette gerade einmal 30 Zentimeter Bewegungsfreiheit – das ist nicht nur zum Duschen zu knapp, zumal es überhaupt keine Staufächer, lediglich eine Ablage für Seife und einen Handtuchhalter gibt. Selbst das Klappwaschbecken hilft da nicht mehr viel.
Immerhin: Die Nasszelle ist perfekt abgedichtet, eine Dachhaube mit Ventilator gehört zur Serienausstattung. Letzteres bietet sonst kaum ein Hersteller, und in dieser Preisklasse schon gar nicht.
Serienfahrzeug kommt mit Anpassungen
Gut gemeint waren sicherlich auch die Stockbetten im Heck, die für durchschnittlich große Mitteleuropäer jedoch ebenfalls beengend wirken. Auf knapp 180 mal 130 Zentimeter kommt das größere der beiden Betten, und auf der sechs Zentimeter dünnen Matratze (ohne Unterfederung) ist von Liegekomfort nicht zu sprechen. Auch die klappbare Aufstiegshilfe ist eine abenteuerliche Lösung, obwohl robust verarbeitet.
Das weiß auch Importeur Schlössl. Das Serienfahrzeug wird mit Karosserieverbreiterungen, einem Lattenrost und einer ordentlichen Matratze ausgestattet sein. Dafür entfällt das obere Stockbett.
Für mehr Bewegungsfreiheit im Mittelgang möchte Schlössl eine klappbare Duschtasse – ganz ähnlich dem Konzept der spanischen Marke Furgok, die La Marca ebenfalls importiert.
Außerdem fehlen in dem von uns angecampten Prototypen noch die Bodenklappen: Trotz knapp zwei Meter Stehhöhe soll es später einen nutzbaren doppelten Boden mit 12 Zentimeter tiefen Fächern geben.
Fazit
Klingt alles sehr vielversprechend – besonders mit Blick auf den Basispreis von unter 60.000 Euro, bei dem bereits alle teuren Optionen inkludiert sind. Die Qualität stimmt ebenfalls, und wenn es in ähnlichem Tempo weitergeht, werden die Baustellen am Grundriss schon mit der nächsten Charge behoben sein. Unterschätzen sollte man die Marke aus Fernost auf keinen Fall.
Maxus Traveller 9: Technische Daten
Basisfahrzeug: Saic Maxus Deliver 9. Vierzylinder-Turbodiesel mit AdBlue und SCR-Katalysator. Hubraum 1.995 cm³, Leistung 108 kW (148 PS), maximales Drehmoment 375 Nm. Sechs-Gang-Handschaltgetriebe, Vorderradantrieb. Abgasnorm Euro 6e
Maße und Massen: (L x B x H) 594 x 206 x 279 cm, Radstand 376 cm, Stehhöhe: 197 cm (Nasszelle 183 cm); Masse in fahrbereitem Zustand: 2.968 kg (Herstellerangabe); zulässige Gesamtmasse: 3.500 kg
Aufbau: Stahlblechkarosserie mit Werkshochdach (L3H3), Einzelradaufhängung mit McPherson-Federbeinen und Schraubfedern vorn, Starrachse an Längsblattfedern hinten. Aluminium-Rahmenfenster und isolierte Aufbauklappen. Dachhaube (40 x 60 cm) über Sitzgruppe und elektr. Dachlüfter (28 x 28 cm) in der Nasszelle
Betten: Heck-Stockbett 178 x 129 cm und 173 x 118 cm
Füllmengen: Frisch-/Abwasser 110 l/90 l, Arana Kompressor-Kühlschrank 96 l, Diesel 80 l, Adblue: k. A.
Serienausstattung: (Auszug) 7-Zoll-Bordcomputer, 12,3-Zoll-Infotainmentsystem mit Smartphone-Integration, Klimaanlage, Rückfahrkamera, Keyless Go, Tempomat, Spurhalte- und -wechselassistent, Außendusche, Markise, Fliegenschutztür, Dachhaube mit Beleuchtung, Druckwassersystem, Webasto 9-kW-Dieselstandheizung, Induktionskocher, Smart-TV inkl. externer Lautsprecher, 24-Volt-Bordelektronik inkl. digitaler Zentralsteuerung, 2.000-W-Wechselrichter, 190-Wp-Solarpanel und 200-Ah-Lithiumbatterie
FGrundpreis: ab 59.900 €