> Camper-Weltreise im T3 Syncro – große Rettungsmission

Abgestürzt in den Pyrenäen – spektakuläre Bulli-Rettungsmission

10.01.2024

Was bisher geschah: Nach über 15 Monaten on the Road, von Norwegen bis in die Westsahara, unzähligen tollen Momenten und Begegnungen, hat sich „die heile Welt“ innerhalb von 15 Sekunden gewendet – und der Bulli liegt abgestürzt in steiler Hanglage.

Ich war mit einem Bekannten für ein paar Tage in den Pyrenäen unterwegs. Bis zu besagtem Tage. An einem der höchsten Punkte der Pyrenäen parkte ich den Horst, zog die Handbremse und stieg aus, um ein paar Fotos zu machen. Nach ein paar Minuten schrie Marc plötzlich: „Reneeee! Der Horst ….“ Ich drehte mich um und sah, wie Horst sich langsam in Bewegung setzte.

Er rollte über die Straße, schlug dann Richtung Hang ein, um sich Sekunden später in Richtung Abgrund zu verabschieden. Da lag er nun, 250 Meter weiter und 50 Höhenmeter tiefer, nach zweifachem Überschlag in steiler Hanglage. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen war er einfach losgerollt. Was zuvor 15 Monate meine rollende Wohnung war, war nun in weniger als 15 Sekunden weg.

Nach 15 Monaten mit befreundetem Syncro-Fahrer Marc in den Pyrenäen wendet sich das Blatt in nur 15 Sekunden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen rollt der Bulli „Horst“ los und kommt erst 250 Metern und nach doppeltem Überschlag wieder zum Stehen.
Foto: Freitag

Abgestürzt in den Pyrenäen

Nach so viel Arbeit beim Aufbau und so vielen Erlebnissen während der Reise, hat man schon eine gewisse Bindung und es ist nicht einfach nur ein Auto. Es war ein ziemlich irrealer Moment. Zumal in dem Wagen alles drin war, was ich besaß – Kleidung, Medikamente, die ich wegen einer chronischen Erkrankung dringend brauche, Fotoequipment, Festplatten mit allen Fotos der Reise, Dokumente usw.

In relativ steiler Hanglage mit viel Geröll liegt der abgestürzte Hort.
Foto: Freitag

Da der Abhang in diesem Bereich nicht so extrem steil war, konnten wir zum Fahrzeug hinuntergehen. Front- und Seitenscheibe hatten sich verabschiedet und die Heckklappe stand weit offen. Somit lagen einige meiner Habseligkeiten weit verstreut am Hang, welche wir dann einsammelten.

Zum Glück waren es die für mich relevantesten Dinge wie mein Laptop mit einem Teil der Fotos und meine notwendigen Medikamente. In den Wagen selbst haben wir uns nicht getraut. In der Hanglage mit grobem Geröll und einer Sicht bis ins Tal wäre das in der Situation ein unnötiges Risiko gewesen.

Traumhafte Ausblicke über die Bergketten der Pyrenäen.... vor dem Absturz.
Foto: Freitag

So unwirklich die Situation war, so erstaunlich gefasst war ich nach dem ersten Schrecken. Wahrscheinlich trug das berüchtigte Adrenalin dazu bei. Wir fingen an die Situation und Möglichkeiten zu durchdenken. Ok, ok, was tun? Die Situation sieht, mhhh bescheiden aus. Sehr bescheiden! Aber ich will ja weiterreisen. Also wie bekommen wir den Horst wieder hoch und wie lange/umfänglich wird die Reparatur? Nur das ging mir durch den Kopf.

Ziemlich schnell war klar, dass wir hier alleine nicht viel machen konnten. Mit dem GPS-Gerät liefen wir die besagte Stelle ab, und hatten somit die exakte Lage, Distanz und Höhendifferenz bis zur Straße gespeichert. Da es mittlerweile langsam auf den Abend zuging, machten wir uns auf den Weg runter nach Andorra um zunächst einmal ein Hotel für die kommende Nacht zu suchen.

Schlechte Nachricht: Bulli-Bergung nur per Heli möglich

Auf der Fahrt in das Tal kamen wir an einer Skistation vorbei. Der dortige Vermieter von Quads hatte von Kunden schon mitbekommen, was passiert war. Er erklärte uns, dass er einige geländeerfahrene Freunde hat, welche mit Jeeps und Bergungsmaterial nach Feierabend helfen könnten. Er wollte wissen, wo der Wagen genau lag. Wir zeigten ihm die GPS-Position, kurz darauf schwand seine Euphorie sehr schnell.

Er kannte die Gegend natürlich wie seine Westentasche und meinte, dass es unmöglich wäre, Horst da mit „klassischen“ Mitteln rauszuholen. Wir sollten warten, er würde herum telefonieren, was möglich ist. Vielleicht eine Pistenraupe … Wir wurden mit Getränken und Schnittchen versorgt, um den Schrecken etwas zu verdauen. Nach diversen Telefonaten meinte er: Hubschrauber, einzige Möglichkeit.

Ok ok, was tun? Die Situation sieht, mhhh bescheiden aus. Sehr bescheiden! Aber ich will ja weiter reisen.
Foto: Freitag

Glück im Unglück: Spezial-Hubschrauber vor Ort verfügbar

Aufgrund des Fahrzeug-Gewichtes könnten die ansässigen „normalen“ Hubschrauber das jedoch nicht erledigen. Diese schaffen maximal 1.000 Kilogramm, bzw. in der Höhe nur noch 850 Kilogramm. Ok, dachte ich. Mit dem Hubschrauber … Er gab uns die Adresse vom Heliport in Andorra. Dort sollten wir morgen hinfahren. Sie wüssten bereits Bescheid und würden mit uns besprechen, was möglich ist. Nervlich ziemlich am Ende, begaben wir uns auf die Suche nach einem Hotel. Obwohl recht gut gebettet, lag eine schlaflose Nacht vor mir.

Am nächsten Tag folgte der Gang zur Polizei, die sich überraschenderweise nicht sonderlich interessierte, da es weder Verletzte noch Unfallbeteiligte gab. Es folgten diverse Telefonate mit der Versicherung, die die Deckung der anfallenden Kosten relativ schnell zugesagte. Am Mittag hatten wir den ersten Termin bei der Helikopter-Firma. Dort angekommen konnte man ein reges Treiben beobachten. Ständig starteten und landeten hier Hubschrauber.

Was für einen „Flachländer“ ziemlich außergewöhnlich ist, ist hier in den Bergen normal. Hier werden Baumaterialien an den Haken genommen, Versorgungsgüter für abgelegene Hütten verladen usw. Das Fliegen ist günstiger als die langen Fahrstrecken durch die Berge. Auch gut betuchte Touristen aus Barcelona lassen sich gerne einfliegen. Neben Rettungstransporten hatte man auch bereits Erfahrungen mit Fahrzeug-Bergungen.

Uns wurde erläutert, dass wir in Anbetracht der Situation kostenmäßig Glück hätten. In zehn Tagen hätten sie einen „Super Puma“ aus der Schweiz gechartert, somit entfielen die teuren Anreisekosten. Dieser sollte in Andorra Strommasten abbauen und mit einer Nutzlast von 4,5 Tonnen würde er „zwischendurch“ den abgestürzten Wagen herunterholen können. Somit war fast alles geklärt.

In den nächsten Tagen sollte noch ein Erkundungsflug stattfinden, um die Situation für den großen Hubschrauber vorab zu beurteilen. Da könne ich mitfliegen und wenn die Bergspezialisten „grünes Licht“ geben, könne ich meine Festplatten und Fotoequipment rausholen. Darüber hinaus müssen sie noch den Wagen sichern und auf alle vier Räder stellen. Würde man ihn seitlich anheben, wäre die Gefahr groß, dass er sich zusammenfaltet.

Bildergalerie

Große Anteilnahme & Hilfsangebote aus der Reise- und Bulli-Community

Am dritten Tag trat endlich etwas Ruhe ein. Ich ging in die Stadt, um mir neue Kleidungen zu kaufen, viel hatte ich ja zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Am Abend schrieb ich dann endlich auf meinen Social-Media-Kanälen, was passiert war.

Was dann passierte, war unglaublich! Nicht nur, dass der Post unzählige Male geteilt/geliket wurde. Nein, ich bekam auch weit über hundert private Nachrichten und Mails. Die gingen von Beileidsbekundungen über Hilfsangebote, einer wollte mit seinem Hänger aus Frankreich kommen, der nächste bot mir aus seinem Bulli-Lager Ersatzteile an und ein Langzeitreisender meldete sich, dass er etwas Geld auf der Seite liegen hätte und wenn nötig mir unbürokratisch eine entsprechende Summe als kostenloses Darlehen überweisen würde.

So viel Hilfsbereitschaft aus der Reise- und Bulli-Community machte mich sprachlos, ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen. Es ist echt berührend, wie viele Menschen doch einfach helfen wollen. Ich danke an dieser Stelle nochmals allen für diesen Beistand! Ihr seid die Besten!

Am fünften Tag war es dann so weit. Der Erkundungsflug fand statt. Ich konnte vorne im Hubschrauber Platz nehmen und wir waren in rund zehn Minuten am Ort des Geschehens. Der Anlass war natürlich nicht der schönste. Dennoch war der Flug, besonders in der Kulisse, ein grandioses Erlebnis.

Tatsächlich sagte man mir vor Ort, dass der Wagen sicher liegt und ich ihn betreten könne. Er war mittlerweile von innen halb voll Schnee und da er auf der Seite lag, war die Orientierung etwas verwirrend. Nach ein paar Minuten ging es samt Fotorucksack und Festplatten wieder ins Tal. Nun hieß es warten. Am nächsten Dienstag, wenn das Wetter mitspielte, sollte es so weit sein. Das Wetter spielte mit. Am frühen Mittag machten wir uns auf zum Heliport. Dort warteten wir, bis der Superpuma aus der Schweiz eintraf.

Zum Glück war dieser Super Puma-Helikopter aus der Schweiz bereits geordert, um in Andorra Strommasten abzubauen.
Foto: Foto: Freitag

Bergung per Helikopter

Unglaublich groß das Ding und mit Fünf-Mann-Besatzung. Abermals flogen wir mit dem „kleinen“ Hubschrauber tief ins Gebirge und es wurde alles für die Bergung vorbereitet. Horst war mittlerweile gedreht und mit mehreren Seilen wie Gulliver auf dem Berg verzurrt.

Dann bekam er ein paar Schlingen umgelegt und der große Hubschrauber wurde angefunkt. Kurze Zeit später tauchte er am Horizont auf. Unter ihm baumelte ein 40 Meter langes Seil samt Haken am anderen Ende. Langsam und extrem präzise platzierte der Pilot den Haken über dem Bus.

Der Bulli wurde zunächst zurück auf seine vier Räder gestellt und gesichert.
Foto: Freitag
»Die Schlingen wurden eingehakt, leicht angehoben, alle Seile durchgeschnitten und dann flog der Horst davon in Richtung Tal.«
Foto: Freitag
OnBoard-Kamera des fliegenden Horsts: Der Pilot steuert zielgenau einen Wanderparkplatz an, auf dem bereits ein Abschlepper wartet.
Foto: Freitag

Es war schon faszinierend zu sehen, wie eine derartig große Maschine und dann noch mit diesem langen Seil so präzise und ruhig manövriert werden kann. Respekt vor den Piloten.

Die Schlingen wurden eingehakt, leicht angehoben, alle Seile durchgeschnitten und dann flog der Horst davon in Richtung Tal. Nachdem alle Seile eingesammelt waren und die Eisen, welche in den Berg als Befestigungspunkte gerammt wurden, abgeflext waren, begaben wir uns auf den Rückflug.

Weitertransport auf dem Abschleppwagen
Foto: Freitag

Im Tal nahm Costas den Horst mit seinem Abschleppwagen in Empfang. Costas hatte wohl bis zur letzten Minute geglaubt, es handle sich um die „versteckte Kamera“. Schließlich wurde ihm gesagt, er solle an einem Wanderparkplatz auf das Auto warten, welches dann mit dem Hubschrauber kommt. Er fragte zweimal nach „Da steht das Auto?“ – „Nein, es kommt mit dem Hubschrauber.“ – „Wie bitte?“ – „Fahr einfach hin und warte“.

Im Tal angekommen, fuhr ich zu Costas Werkstatt, um den Van leer zu räumen und für die Rückfahrt nach Deutschland vorzubereiten. Vier Tage später, nachdem ich alles in eine große Kiste gepackt und diese der Spedition übergeben hatte, befand ich mich auf dem Heimflug. Schon verrückt, wenn man zurückdenkt, wie ich gestartet war und jetzt ging es mit einem einzigen Koffer heim.

So viel Chaos richten normalerweise nicht einmal 15 Monate Vanlife an – normalerweise ... Erstaunlicherweise blieben Festplatten und Kameraausrüstung komplett unbeschadet.
Foto: Freitag
Die wohlverdiente Nervennahrung – und das passende T-Shirt haben wir auch noch gefunden.
Foto: Freitag

Zuhause angekommen wartete ich voller Tatendrang acht lange Wochen, bis der Horst eintraf. In der Zwischenzeit hatte sich schon jemand aus der Bulli-Community gemeldet und mir eine Syncro-Karosse angeboten. Was für ein Glück. Scheint ja wie am Schnürchen zu laufen dachte ich mir. Tut es das? Und mal eben wieder aufbauen? Ob es am Ende wohl doch länger dauert als gedacht?

 

….Fortsetzung folgt…..

 

Die Geschichte erschien im Original in CamperVans-Ausgabe 03.2019

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