Den alltäglichen Gebrauch gibt hier schon das Preisschild vor. Konzeptionell unterscheiden sich die beiden abgespeckten Werks-Camper aber deutlich. Welcher ist für wen?
Es ist kompliziert. Die Nachfrage nach Freizeitfahrzeugen scheint immer noch hoch, doch die Zulassungszahlen sind rückläufig. Besonders schwer haben es derzeit die kompakten Campingbusse. Viele größere Reisemobil-Hersteller, die vor nicht allzu langer Zeit in den Markt der Fünf-Meter-Vans mit Aufstelldach drängten, haben ihre Modelle schon wieder gestrichen. Selbst die kleinen, lange etablierten Campingbus-Spezialisten berichten von bis zu 60 Prozent Auftragsrückgang. Und die großen Konzerne? Sowohl Mercedes-Benz als auch Volkswagen konnten im ersten Halbjahr 2025 weniger leichte Nutzfahrzeuge absetzen als im Vorjahreszeitraum. Beide Unternehmen bezeichnen das Marktumfeld als herausfordernd.
Die Herausforderung für viele potenzielle Kunden dürfte dagegen schlicht in den Anschaffungskosten liegen. Schon ohne richtigen Campingausbau und ohne Mehrausstattung kommen California Beach und Marco Polo Horizon auf über 63.000 beziehungsweise 67.000 Euro. Die zugegeben sehr gut ausgestatteten Testwagen kratzen sogar an der 100.000-Euro-Marke. Mit Aufstelldach, Klappbank und Drehkonsolen sind die beiden abgespeckten Werks-Camper für viele die ideale Mischung aus Alltag und Camping. Und beide sind absolut State of the Art, auch wenn das in Stuttgart und Hannover ganz unterschiedlich interpretiert wird.
Mercedes-Benz hatte den Marco Polo Horizon zuletzt aus dem Programm genommen. Ein gutes Jahr später und auf vielfachen Kundenwunsch gibt es ihn nun wieder. Auch für den Einstieg in die Camper-Welt mit Stern war die 5,14 Meter lange V-Klasse als Basis gesetzt – eine Neuauflage des Activity auf dem Vito passt nach wie vor nicht in die Konzernstrategie. Erstmals gehört nun die zweite, fahrerseitige Schiebetür zur Serienausstattung. Und natürlich besitzt auch der Horizon die vielen Vorzüge, die mit dem Facelift zum Modelljahr 2024 in die V-Klasse gezogen sind. Allem voran den neuen Armaturenträger mit zwei 12,3-Zoll-Displays, die in einem gemeinsamen Rahmen eingefasst sind, sowie höherwertigere Materialien und Spielereien wie eine 64-farbige Ambientebeleuchtung. Der größte Vorteil des modernisierten Cockpits liegt in der niedrigeren Bauhöhe, was die Übersicht nach vorn nochmals verbessert. Mercedes-Benz hat es außerdem geschafft, die Flut an Funktionen und Informationen logisch ins hauseigene Multimediasystem MBUX zu sortieren. Mit einer Mischung aus haptischen Tasten, Touch-sensitiven Feldern und einem kompetenten Sprachassistenten wird man nach kurzer Eingewöhnung fündig. Der Touchscreen muss fast nur im Stand benutzt werden. Lediglich das neue Lenkrad mit seinen überladenen Touch-Feldern trübt den Eindruck.
Mercedes-Benz setzt für seine Campervans weiterhin ausschließlich auf konventionelle Diesel-Aggregate mit mindestens 163 PS, stets gekoppelt an einen Neun-Stufen-Wandler. Es ist die Paradedisziplin der Stuttgarter, bei der man sich auch vor dem deutlich jüngeren Vergleichskandidaten keineswegs verstecken muss – es sei denn, man empfindet den sparsamen, aufwendig Abgas-gereinigten Diesel als nicht mehr zeitgemäß. Die Fahreigenschaften der V-Klasse sind dagegen über jeden Zweifel erhaben – zumal in der 237 PS starken Topversion mit satten 530 Nm Drehmoment und wenn wie im Testwagen die optionale Vollluftfederung verbaut ist. Die harmonisch (miteinander) agierenden Assistenzsysteme unterstreichen den souveränen Eindruck, den der Horizon beim Fahren zu jeder Zeit vermittelt.
Letzteres kann der California Beach, der seit dem Modellwechsel im vergangenen Jahr auf einer Pkw-Plattform (MQB) gefertigt wird, allerdings genauso gut. Mit seinen haptischen Lenkradtasten und der Möglichkeit, ein Head-up-Display zu bestellen (1.333 Euro), hätte er für uns hier sogar leicht die Nase vorn.
Allerdings: Im direkten Vergleich neigt das Fahrwerk zum Poltern, was weniger spürbar, aber klar zu hören ist. Die Lenkung ist leichtgängiger, wirkt zuweilen aber fast ein wenig nervös. Und: Im neuen California sitzt man deutlich integrierter, sehr weit hinter der Frontscheibe. Mit dem klassischen Bulli-Feeling ist es damit endgültig vorbei, und das hat nicht nur subjektive Nachteile: Die Übersicht nach vorn hat sich verschlechtert.
Wer sich für Neues begeistern kann, dem bietet der California Beach ein paar entscheidende Vorteile – oder zumindest USPs. Im Vordergrund steht hierbei der neue Hybridantrieb, ein Plug-in mit jeweils einem Elektromotor an Vorder- und Hinterachse. Bei gemütlicher Fahrweise und starker Rekuperation (zwei Modi wählbar) genügt die 19,7-kWh-Batterie für über 80 Kilometer rein elektrische Reichweite – dann unterstützt ein 1,5-Liter- Benziner.
Einen reinen Verbrenner-Modus oder einen zum Laden der Batterie während der Fahrt sieht VW nicht vor, doch mit ein paar Klicks kann ein gewünschter Ladezustand bis zum Fahrtende reserviert werden. Zum Beispiel für den innerstädtischen Verkehr, flüsterleises Rangieren auf dem Campingplatz oder für die Klimatisierung im Stand.
Das klappt so weit ganz gut, auch wenn ein spontaner Gasbefehl nur verzögert und nicht ganz so kraftvoll umgesetzt wird wie von der V-Klasse. Auf dem Weg in den Urlaub ist das zu vernachlässigen, denn die Systemleistung genügt locker für ein sicheres Überholmanöver. Und im Alltag können – bei vorhandener Infrastruktur – durchschnittsdeutsche Pendelstrecken rein elektrisch bewältigt werden.
Der Akku lädt am Schnelllader mit bis zu 50 kW in unter 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Und dann wäre da noch der Traktionsvorteil: Obwohl der eHybrid 4Motion im harten Geländeeinsatz wohl nie mit einem mechanischen Allradantrieb mit Sperren mithalten wird – für eine feuchte Wiese reicht es.
Dass die neue California-Basis eine zweite Schiebetür zwingend vorgibt, ist beim Beach nicht weiter tragisch – es passt vielmehr perfekt ins Konzept. Seit 20 Jahren ist der Beach als Crossover aus Multivan und California ein echter Bestseller. Auch hier gehören das Aufstelldach, die Klappbank und Drehkonsolen schon lange zum Standard. VW geht sogar noch deutlich weiter in Richtung Camping, etwa mit serienmäßigen Verdunkelungsrollos, einer echten Beleuchtung, Campingmöbeln und zuletzt auch mit einer Miniküche. Damit kann der California Beach – anders als der Marco Polo Horizon – auch als Wohnmobil zugelassen werden.
Der neue Beach setzt auf die Einzelsitze des Multivan, die sich ein Mü besser sitzen und mit schlanken 27 Kilogramm viel einfacher ausbauen lassen als die Dreierbank des Horizon – wobei für die meisten Transportaufgaben jeweils der ordentliche Verschiebeweg genügt. Trotz geringerer Außen- hat die V-Klasse 20 Zentimeter mehr Innenraumlänge (265 Zentimeter). Das wird besonders deutlich, wenn die Fahrzeuge mit dritter Sitzreihe geordert werden. Ab Werk sind Horizon und Beach mit fünf gurtgesicherten Sitzplätzen ausgestattet, unser Beach ist als Viersitzer konfiguriert (minus 292 Euro). Im Horizon ginge das im Prinzip auch, doch dann entfällt die Schlaffunktion.
Die Bettenverlängerung im Marco Polo Horizon lässt sich mit einem Handgriff aufstellen. Insgesamt fällt dessen Wohnraum deutlich luftiger aus. Von der Bank bis zu den gedrehten Fahrerhaussitzen sind es maximal 114, beim Beach nur 60 Zentimeter. Das Bett entsteht ganz klassisch, indem die Bank nach vorn geschoben und umgeklappt wird. Dafür braucht es nicht viel Kraft, und zum Glück muss der optionale Besprechungstisch (765 Euro) nicht ausgebaut werden. So richtig bequem wird die weiche, konturierte Klappbank aber erst mit dem Topper, den Mercedes-Benz für weitere 434 Euro anbietet.
Im California Beach faltet man ein separates Matratzenpaket über die beiden Einzelsitze, deren Lehnen lediglich umgelegt werden müssen. Zwar kann auch im Beach nicht unabhängig von der Bestuhlung geschlafen werden, doch das Bettmodul bietet etwas mehr Schlafkomfort. Die Verdunkelungsrollos sind sauber in die Verkleidung integriert. Die hinterste Fensterreihe ist mit Taschen versehen, die mehr Stauraum bieten, als man vermutet.
Beim Aufstelldach ist die Sache schon weniger eindeutig. Beide öffnen manuell und schließen mit gut gemachten Verschlüssen, beide haben alles vom Federtellersystem über LED-Schwanenhals-Leuchten und Steckdosen bis hin zur C-Schiene in der Dachschale, in der ein Dachträger befestigt werden könnte. Das Meshgewebe, das Westfalia (fertigt das Dach im Auftrag von Mercedes-Benz) als Insektenschutz nutzt, ist deutlich blickdichter als das Standard-Fliegengitter. Der Zeltbalg fällt durch eingenähte Fiberglasstäbe zuverlässiger in die korrekte Position als beim Beach.
Auch der California Beach hat ein Federtellersystem von Froli verbaut und verfügt über LED-Schwanenhalsleuchten und Steckdosen. Das verwendete Standard-Fliegengitter ist luftiger und ermöglicht die bessere Aussicht. Dagegen klemmen die Zeltwände beim Schließen leichter ein als die Version mit Führungsstäben beim Horizon.
Wenn die Einzelsitze im Beach überhaupt einen Nachteil haben, dann ist es das Stauraum-Angebot. Der großen Schublade im Horizon können die kleinen Fächer des Beach nicht das Wasser reichen. VW hält mit gut gemachten Fenstertaschen dagegen, die für den Horizon lediglich über Drittanbieter erhältlich sind. Auch beim Kofferraumvolumen hat der Horizon klar die Nase vorn. Außerdem kann er einfacher – und sogar durch die Heckscheibe – auf zwei Ebenen beladen werden. Wer den Horizon nicht nur im Alltag nutzen möchte, stellt bei Bedarf einfach ein paar Euroboxen mit dem passenden Equipment – im Idealfall sogar auf einem Heckauszug – in den voluminösen Kofferraum.
VW geht deutlich weiter in Richtung Camping und spendiert dem Beach auf Wunsch auch eine Miniküche. Diese ist seit dem Modellwechsel nicht mehr in der Seitenwand der Karosserie integriert, sondern in einer größeren Technikbox im Heck untergebracht. Sie belegt ziemlich genau die Hälfte des Kofferraums und schlägt mit 1.428 Euro zu Buche. Dafür erhält man einen einflammigen Gaskocher mit Piezo-Zündung und Windfang, auf dem ganz ordentlich gekocht werden kann, sowie eine Aufbaubatterie und eine 230-Volt-Steckdose. Auch lassen sich ein paar Vorräte und etwas Kochgeschirr unterbringen. Die bereits erwähnten Campingmöbel bringt der Hersteller sauber in der Verkleidung der Heckklappe und unter der Bettenverlängerung unter.
Bleibt die Frage, was praktischer ist. Wer regelmäßig und spontan im Fahrzeug schlafen möchte, wird die sauber integrierten Lösungen (Verdunkelungen, Licht, Kocher etc.) des California Beach zu schätzen wissen. Allerdings steht man mit der neuen Küche zwangsläufig im Freien. Der Horizon bietet dagegen nur, was sich nicht mal eben einpacken lässt. Das muss nicht schlecht sein, etwa wenn das Fahrzeug nur gelegentlich eine Übernachtungsmöglichkeit bieten soll. Ein mobiler Kartuschenkocher, Verdunkelungsmatten, Campingmöbel oder auch eine Kühlbox lassen sich für vergleichsweise kleines Geld nachkaufen.
Beide Testwagen sind minimierte Campervans auf höchstem Verarbeitungs- und Ausstattungs-Niveau. Im direkten Vergleich werden die konzeptionellen Unterschiede deutlich, aus denen sich verschiedene Stärken und Schwächen ergeben – und damit auch verschiedene Zielgruppen. Mit proppenvollen Messeständen bewiesen die beiden Marken auf dem Caravan Salon erneut, wie sehr die Produkte begeistern und dass durchaus Interesse besteht – wenn die Preise stimmen. Gerade VW ging zuletzt mit satten Rabatt-Aktionen in die Offensive und ein Stück weit in Richtung Kunde. Wer Gefallen gefunden hat an einem der beiden Testwagen, der sollte sich von den offiziellen Preislisten nicht abschrecken lassen: Auf den Rechnungen werden niedrigere Summen stehen.
Basisfahrzeug: VW New Multivan eHybrid 4Motion, Vierzylinder-Turbobenziner, Hubraum 1.498 cm³, mit zwei E-Motoren, VA 115 PS, HA 136 PS. Systemleistung 130 kW (177 PS), Systemdrehmoment 350 Nm. Sechsgang-Direktschaltgetriebe, Elektro-Allradantrieb. Euro 6e Maße und Massen: (L x B x H) 517 x 194 x 197 cm, Radstand: 312 cm. Masse in fahrbereitem Zustand: 2.495 kg (Herstellerangabe), zulässige Gesamtmasse: 2.950 kg Aufbau: Stahlblechkarosserie (L2) mit 2. Schiebetür. Einzelradaufhängung mit McPherson-Federbein vorn und Schraubenfedern hinten. Werks-Isolierverglasung getönt mit zwei Schiebefenstern, mechanisches Aluminium-Aufstelldach. Vier Gurtplätze. Küchenmodul mit Einflammkocher und Technikbox, Bettmodul, Verdunkelungsrollos Betten: Klappbank 200 x 132 cm, Aufstelldach 204 x 112 cm Füllmengen: Gas 2,75 kg, Benzin 45 l, Fahrbatterie (Netto) 19,7 kWh Serienausstattung: (Auszug) 6G-DSG, LED-Scheinwerfer, Infotainmentsystem inkl. 10-Zoll-Touchdisplay, halbautom. Klimaanlage mit Zuheizer, Lederlenkrad, Drehkonsolen, Aufstelldach mit Dachbett, Einzelsitze, Bettmodul, Lithium-Aufbaubatterie 40 Ah, 5-Zoll-Bedienpanel für Camping-Features Sonderausstattung: (Auszug) Lackierung in Energetic Orange-Metallic 1.095 €, Aufpreis Version „Tour“ u. a. inkl. Verdunkelungssystem, Innenbeleuchtung und Aufbaubatterie 4.812 €, Miniküche 1.428 €, Parkpaket Basic 613 €, Assistenzpaket Advanced 1.386 €, Sitzheizung Fahrerhaus 506 €, Anhängekupplung anklappbar 1.017 €, Benzin-Standheizung 1.815 €, 3-Zonen-Klimaautomatik 1.380 €, Smartphone-Schnittstelle mit induktiver Ladefunktion 506 € Testverbrauch: 2,4 l + 22,4 kWh/100 km Grundpreis: 63.012 €, mit getestetem Antrieb: 78.095 € Testwagen: 96.627 €
Basisfahrzeug: Mercedes Benz V-Klasse 300 d, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 1.950 cm³, Leistung 174 kW (237 PS) bei 4.200 U/min, max. Drehmoment 530 Nm bei 1.600 U/min. Neun-Gang-Wandlerautomatik, Allradantrieb permanent. Euro 6e Maße und Massen: (L x B x H) 514 x 193 x 199 cm, Radstand: 320 cm. Masse in fahrbereitem Zustand: 2.399 kg (Herstellerangabe), zul. Gesamtmasse: 3.200 kg Aufbau: Stahlblechkarosserie (L2) mit 2. Schiebetür. Einzelradaufhängung mit McPherson-Federbein vorn und Schraubenfedern hinten. (Testwagen mit optionalem Luftfahrwerk). Werks-Isolierverglasung getönt mit separat zu öffnender Heckscheibe, mechanisches GFK-Aufstelldach. Fünf Gurtplätze Betten: Klappbank 192 x 135 cm, Aufstelldach 198 x 108 cm Füllmengen: Diesel 70 l, AdBlue 24 l
Serienausstattung: (Auszug) 9G-Tronic, LED-Scheinwerfer, Multimediasystem MBUX inkl. Widescreen-Cockpit mit zwei 12,3 Zoll großen Displays, halbautom. Klimaanlage mit Zuheizer, Lederlenkrad, Drehkonsolen, Aufstelldach mit Dachbett, Klappsitzbank, AGM-Aufbaubatterie 95 Ah Sonderausstattung: (Auszug) Lackierung in Bergkristallweiß-Metallic 1.220 €, AMG-Line 4.285 €, Premium- & Premium-Plus-Paket u. a. inkl. Ledersitzen, Park-Paket 360° und Klimaautomatik 6.753 €, Fahrerassistenz-Paket 203 €, Easy-Pack-Paket 2.877 €, Winter-Paket 1.041 €, Akustik-Paket 344 €, Night-Paket 650 €, Airmatic-Luftfahrwerk 2.201 €, Allrad 4.559 €, Außenanschluss 230 V 937 €, Schlafauflage für Bett unten 434 €, Anhängekupplung abnehmbar 1.187 € Testverbrauch: 7,8 l/100 km Grundpreis: 67.066 €, mit getestem Antrieb: 71.183 € Testwagen: 96.864 €