> Bulli-Reise auf dem Hippie Trail in den 1970er Jahren

Mit dem Bulli auf dem legendären Hippie Trail

04.03.2024

Es geht um ein Buch. Geschrieben vom Halb-Hippie Heiko P. Wacker. Über den Voll-Hippie Jürgen Schulz. Der war mit seinem Bulli in den 70ern auf dem Hippie Trail. Wie Fahrer und Bus überlebten, hat Heiko beeindruckend zu Papier gebracht.

Ich habe Jürgen Schultz nie getroffen. Und doch habe ich ein ziemlich klares Bild von ihm in meinem Kopf, von dem ich mir vorstellen könnte, das es der Wahrheit recht nahe kommt.
Das liegt auch mit daran, weil ich das Buch von Heiko P. Wacker über Herrn Schultz, seine Bullis und vor allem seine Reisen gelesen, ja verschlungen habe. Es heißt: „Im Bulli auf dem Hippie Trail – Die Abenteuer des Herrn Schultz“.

"Diese Leute nannten sich damals Überlandfahrer. Das war noch echtes #Vanlife."

Von Heiko P. Wacker habe ich auch ein klares Bild im Kopf, weil ich ihn schon des Öfteren getroffen habe, wir waren schon auf mancher Reise gemeinsam unterwegs. Jetzt ist sein Buch erschienen und eigentlich wollte ich nur eine Buchrezension verfassen, aber irgendwie muss deutlicher auf diese ganze Geschichte um Herrn Schultz und seine Reisen hingewiesen werden, die für mich die spannendste Geschichte im Vanlife-Segment seit Langem ist.
Vielleicht schauen Sie sich mal das Bild an von Autor und Hippie am Ende dieser Reportage an und dann stellen Sie sich vor, wie die beiden abends im Allgäu beim Bier zusammensitzen und sich ihre Bärte heißdiskutieren. Lachend, gewitzt, intelligent.

Der eine erzählt von seinen Reisen auf dem Hippie Trail, dieser legendären Route über Istanbul, Iran, Indien, Goa, Sri Lanka und Nepal. Die hat Herr Schultz Anfang der 70er mehrfach befahren und hat es in den letzten Jahren Herrn Wacker erzählt. Der hat die Geschichte aufgesaugt und liebevoll niedergeschrieben. Wacker ist selbst Bulli-Liebhaber, Schrauber, Besitzer, selber halber Hippie und sonst Doktor der Geschichte – seine Dissertation über das Heidelberger Schloss gilt als Standardwerk zum Thema. Motorrad fahren und Schwarzpulver schießen machen ihm auch große Freude.

Im Bulli auf dem Hippie Trail: die Reiseroute von Jürgen Schultz
Die ganze Geschichte gibt es nachzulesen in dem Buch „Im Bulli auf dem Hippie Trail – Die Abenteuer des Herrn Schultz“. Erschienen bei Delius Klasing, 192 Seiten, 16 Euro.

Wacker hat das Leben des Herrn Schultz in eine Reisegeschichte gepackt. „Ich begleite den Ober-Hippie auf seiner einen Reise mit dem 56er-Hippie-Bus. Die ganze Zeit – vom Memminger Spießertum nach Goa, Sri Lanka, Nepal und zurück. Und in dieser Reise wurden Erlebnisse anderer Reisen, anderer Abenteuer gleichsam hineingespielt“, schreibt er im Epilog. Wie sehr ihm dieses Buch ein Herzensanliegen war, merkte man, als ich einem Vortrag über das Buch und Schultz beiwohnen durfte. Am Ende waren die meisten Zuhörer doch sehr bewegt und mancher hatte ein kleines Tränchen der Rührung im Auge.

Seit 2014 steht der Bus in der Ausstellung. Zunächst war man dort irritiert, was man mit so einem speziellen Exponat machen sollte. Man entschied sich für: nix, einfach hinstellen.

Eine Komponente der Geschichte ist, dass der 56er-Bus noch lebt. Und zwar genau so, wie er das letzte Mal nach 40.000 Kilometern von der Reise kam. Und jeder kann ihn anschauen. Der steht im Erwin-Hymer-Museum im ersten Stock. Offen, hier kann jeder dieses „Denkmal“, wie Wacker es nennt, betrachten.

Bevor er in die Ausstellung kam, waren sich die Museumsleute nicht ganz sicher, was sie mit dem Bulli machen sollen. Restaurieren? Also haben sie Herrn Wacker angerufen und um dessen Expertise gebeten.

Der sagte natürlich: „Bloß nicht restaurieren, was habt ihr dann? Einen 56er-Bus? Ja und? Jetzt habt ihr einen Original-Hippie-Bus, der auf dem Hippie-Trail war und noch lebt!“ Tatsächlich vermutet man, dass es noch einen weiteren gibt.

Jetzt steht er da im Museum, der Ersatzmotor liegt wie damals auf den Reisen auf dem Boden (also im Weg rum), Postkarten und Aufkleber sind da, wo sie waren, am Spiegel baumeln die Dinge, die man unterwegs sich eben an den Spiegel hängt. Sie haben lediglich Plexiglasscheiben darüber montiert, wo die Gefahr des Diebstahls lauert.

Ein faszinierter Buchautor (links) neben Jürgen Schultz, für den die Reisen eher „nix Besonderes“ waren, weil man musste ja „nur den Schlüssel rumdrehen“.

Als Journalist wollte Wacker natürlich eine Geschichte schreiben über das Auto. Und dann fragte er Frau Hinzen, Museumsdirektorin, ob sie denn Material hätte. Und sie eben nur trocken. „Rufen Sie den Besitzer halt an, der lebt hier in der Nähe in Memmingen.“
Dann begann die Arbeit für den Journalisten, nämlich die Überzeugungsarbeit. Schultz fand nämlich ganz einfach die ganze Story gar nicht so erzählenswert. „Des isch doch nix Bsonderes – des isch doch bloß an alder Bus.“ Und über sich selbst: „I hab des hald gmacht, andre ned. Baschda.“

Entspannen am Strand. Goa, Indien

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Er hat es nicht nur gemacht, er hat es auch überlebt. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung. Denn der gemeine Hippie wird gerne verklärt. Länder wie Afghanistan waren bei der europäischen Jugend nicht nur wegen der schroffen Schönheit der Natur bekannt. Und so erzählt Schultz auch die tragischen Seiten, dass unzählige junge Menschen am Ende auf dem Friedhof für Ausländer landeten. Es war weniger das Kiffen, sondern meist das billige Heroin. Dann gab es wieder fünf Euro vom Konsulat und wieder einer wurde unter einem Holzkreuz verscharrt.

Schultz reichte ein kühles Bier am Strand von Goa. Hier verbrachte er einige Zeit, hier konnte der Memminger von Vollmondparty zu Vollmondparty leben. Vielleicht der Moment im Buch, wo sich die Realität mit dem Bild, das man von einem Hippie hat, am ehesten deckt. Ansonsten geht es hier nie um irgendwelche Orgien oder psychodelische Drogenerfahrungen. Die Droge von Schultz war und ist das Reisen. Einfach den Zündschlüssel umdrehen und in diesen Flow der Straße kommen. Und dann einfach rollen, gerne ein Jahr lang und 40.000 Kilometer weit.

Zu Freunden geworden: Buchautor Heiko P. Wacker, links, mit Jürgen Schultz.
Schultz auf einer späteren Reise in China. Es ist ein Bild, das er selbst besonders gern hat.

Wacker schildert Schultz damals wie heute als abenteuerlustigen, bodenständigen, lebensfrohen Mann, der seine Wurzeln kennt, sie lebt und trotzdem immer das Reisen als fast schon spirituelles Erlebnis genießt. Ein Erlebnis, das den Geist öffnet, für Verständnis sorgt. „Travel is passport for peace“, stand auf einem der Busse auf der Seite geschrieben.

Einmal um den ganzen indischen Kontinent mit Zwischenstopp in Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Dann hoch in den Himalaja und dann der Moment, wo man plötzlich das Gefühl hat, dass jetzt der Wendepunkt gekommen ist – wenn man weiß, dass die Rückreise ansteht. Wacker beschreibt solche Passagen in einer klaren, ungekünstelten Sprache, mit klarem Gedanken und klarem Ausdruck, und doch werden die Emotionen direkt weitergegeben. Man fühlt, was Schultz auf diesen vielen Kilometern erlebt hat. Was er gesehen haben muss, gefühlt haben muss.

Das „Denkmal“ im Erwin-Hymer-Museum. So steht der T1 aktuell in der Ausstellung und kann angeschaut werden.

Ich habe dieses Buch unglaublich gerne gelesen. Man rollt durch die Erzählung, wie der T1 über den Hippie Trail. Hinten brummt der Motor, der Flow setzt ein und irgendwann sitzt man mit Schultz am Strand von Goa, vor dem Bus und spürt, wie das kühle Bier die Kehle runterzischt. Und genauso kommt man wieder mit ihm heim nach Memmingen, wo alles anders geworden ist.

Wer mehr über Jürgen Schultz´ spannende Reisen lesen möchte, kann das Buch zum Beispiel über den Delius Klasing-Shop beziehen. Aktuell kostet es dort 15,99.

Nicht nur Artikel und das analoge Navigationssystem sind noch im Bus, sondern auch Bilder von unterwegs und irgendwie der Rest.

Dieser Beitrag erschien erstmals in CamperVans Ausgabe 4/2018.

 

Wir feiern 10 Jahre CamperVans und haben für Euch die besten Artikel aus den Jahren nochmal aufbereitet. Weitere Jubi-Beiträge findet Ihr hier.

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