Schon speziell: „Führt Ihr Urlaub Sie abseits der üblichen Wege, ist der Daily 4×4 die Lösung für Sie.“ „Extreme Robustheit, stabile Karosserie, Komfort eines Straßenfahrzeugs“ – mit Superlativen wird ab Werk nicht gespart. Der Daily ist genaugenommen nicht mehr ganz in unserer klassischen Campervans-Liga. Und selbst nach der Erhöhung der zulässigen Gesamtmasse für den Führerschein Klasse B auf 4,25 Tonnen – für einen Allrad-Daily reicht das nicht, beziehungsweise nur ganz knapp ohne Ausbau. In der nackten Basis hat der leere Kasten rund 3,5 Tonnen Leergewicht und zwischen 5,5 und 7,0 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. Je nach Größe und Ausstattung hat man also genügend Nutzlast, um sich seinen Traum zu verwirklichen.
Drei Längen, drei Höhen und zwei Gewichtsklassen
Im Konfigurator kann man zwischen drei Längen, drei Höhen und zwei Gewichtsklassen auswählen. Ganz frei ist man bei der Auswahl allerdings nicht: Mit einem Radstand von 3,52 Metern gibt es den Daily mit einer Länge von 5,6 Metern mit knapp 1,55 oder 1,90 Meter Innenhöhe, also nur H1 und H2. Mit gleichem Radstand und sechs Metern Länge gibt es H2 und H3, also 1,90 oder 2,10 Meter Innenhöhe. Mit genau genommen 58 Zentimeter mehr Radstand, also 4,10 Metern, wächst die Fahrzeuglänge auf 7,17 Meter und ist ebenfalls als H2 und H3 erhältlich. Der ganz Lange mit 7,54 Metern ist nicht als 4×4 erhältlich.
Auch beim 7,17er muss man mit dem Böschungswinkel von 37 Grad vorn kaum, mit den 14 Grad hinten schon sehr aufpassen, um abseits geteerter Straßen nirgends hängen zu bleiben, wobei die Reifen in 37×12,5R17 für zusätzliche zwei Zentimeter Bodenfreiheit sorgen.
Ein kleiner Hinweis für diejenigen, die es richtig wissen wollen: Beim Daily in normaler Campervan-Länge, also gut sechs Metern, ist der Böschungswinkel deutlich besser, vorn und hinten fast gleich. Für den meist normalen Einsatz eines schlechtwegetauglichen Campervans ist der Böschungswinkel, also der Winkel zwischen der Aufstandsfläche des Rads und tiefsten Punkt an Front oder Heck des Fahrzeugs gar nicht so relevant. Steil bergauf mit schleifender Kupplung wird gerne vermieden. Okay, dass die Heckstoßstange oder die Anhängerkupplung aufsitzt, kann schon mal passieren.
16 Gänge - acht leicht und acht schwer
Beim Daily sieht die Sache ein bisschen anders aus. Mal abgesehen von den 36 Zentimetern Bodenfreiheit vorn, mit einem Untersetzungsgetriebe mit einem Verhältnis von 1:2,15 kann man sich entspannt in unangenehme Situationen manövrieren. Auch wenn die Achtgang-Wandlerautomatik das langsame Fahren eh schon einfach macht, ein Druck auf das Knöpfchen mit der Schildkröte auf der Mittelkonsole reduziert die Radumdrehung um das 2,15-fache. Ganz simpel erklärt: Wie beim Fahrrad mit Zweifachschaltung. Hinten haben wir eine Kassette mit acht Gängen und vorn zwei Kettenblätter mit 13 und 28 Zähnen. Also 16 Gänge, acht leicht und acht schwer. Okay, eigentlich sind es 18, denn den Rückwärtsgang gibt es auch zweimal.
Drei Sperren fürs Weiterkommen
Standardmäßig treibt der Dreiliter-Vierzylinder mit 180 PS und einem Drehmoment von 430 Newtonmeter beide Achsen im Verhältnis 68 Prozent hinten, 32 Prozent vorn an. Da die Vorderachse ein zulässiges Gewicht von 2,45 Tonnen, die Hinterachse aber 3,7 Tonnen verträgt, ergibt es schon Sinn, hinten mehr Druck zu geben. Wenn aber so gut wie nichts mehr geht, dreht das Hinterrad – oder gesperrt die Hinterräder – schneller durch. Für schweres Gelände gibt es also drei Sperren: das Verteilergetriebe für jeweils 50 Prozent Vorder- und Hinterachse, Differentialsperre Vorderachse, Differentialsperre Hinterachse. Sind alle Joker gezogen beziehungsweise alle Knöpfchen gedrückt, drehen sich alle vier Räder gleich schnell.
Dass diese Art der Fortbewegung auf griffigem Untergrund in Kurven nicht gerade schonend ist, ist klar. Wenn zu verwunden oder zu schnell, schaltet der Daily ab, und er kann auch das ABS, die Airbags und das ESC an offroad anpassen – nicht dass bei der Grabendurchfahrt der Airbag aufgeht und die Bremsen versagen. Selbst für Wasserdurchfahrten gibt es eine Taste, welche die Belüftungen verschließt.
Viel Luxus und Komfort im Kasten
Technisch gesehen ist der Daily also wirklich ein Expeditionsmobil. Das ist natürlich keine Neuentdeckung, unzählige Ausbauer nutzen diese Basis für ihre Fahrzeuge. Mit der größte Unterschied des Ivecos ist der Leiterrahmen und das zulässige Gesamtgewicht bis sieben Tonnen bei Einzelbereifung an der Hinterachse. Um dann noch etwas mehr zu bekommen, wählen viele Entdecker die Option mit Kastenaufbau anstatt der einengenden Blechkarosserie.
Wie man doch viel Luxus und Komfort in den Kasten bekommt, zeigt unser Testwagen. Die Vorgeschichte: Der Besitzer fuhr vorher Niesmann+Bischoff und Morelo zumeist auf der Straße. Am Liner hing dann zusätzlich noch ein schickes RIB, also ein Festrumpf-Schlauchboot, welches im Verhältnis Preis-Leistung deutlich besser abschneidet. Man bekommt jedenfalls meist deutlich mehr PS, in der Daily Preisklasse sind gute 800 Pferdestärken nicht unüblich. Da so ein Bötchen auch mal zwei, drei, vier Achtzylinder an Bord hat, muss das Zugfahrzeug schon was können. Das spricht schon wieder für den Daily, der mit 3,5 Tonnen Anhängelast ganz gut ausgerüstet ist. Der Ausbau ist also nicht spärlich expeditionstauglich, sondern eher üppig und komfortabel.
Unterboden gut geschützt
Fangen wir mal unten an: Man könnte es sich zwar gut vorstellen, mit Untersetzung millimetergenau auf den Unterlegkeilen zu rangieren, bis das Mobil gerade steht – einfacher sind aber die hydraulischen Hubstützen von Asimo, die den Iveco auf Knopfdruck ins Wasser stellen. Ansonsten sieht der Unterboden schon ab Werk gut geschützt aus, und zusätzliche Platten verhindern Schäden.
Für den Ausbauer war es allerdings nicht so einfach, in dem Geflecht aus Leiterrahmen, Achsen, Längs- und Antriebswellen genügend Platz für Tanks und weitere Anbauten, die gerne auch unter dem Fahrzeug verbaut werden, zu finden. Aber 110 Liter Schwarzwasser, 220 Liter Grauwasser und ein paar Aggregate haben ihren Platz gefunden – weit genug vom Boden entfernt, die Freiheit unter dem Schwellerrohr beträgt gut 42 Zentimeter.
Der Preis dafür: In den Wohnraum wären es mit einem Schritt 82 Zentimeter – davor sollte man sich gut aufwärmen. Zum Glück gibt es eine Trittfläche auf dem Schweller, da ist der Abstand zum Boden nur 50 Zentimeter – also auch ohne zwingenden Hüftkrampf machbar. Den Griff an der B-Säule möchte man bei der Kletterei aber nicht missen.
Grundriss
Der Grundriss ist fast schon klassisch: zwar keine gewöhnliche Dinette mit Zweiersitzbank, aber ein verschiebbarer Einzelsitz und die beiden Vordersitze, die zusammen mit dem großen Tisch eine funktionelle Sitzgruppe bilden.
Die Küchenzeile ist knapp zwei Meter lang. Sie umfasst einen großen, stirnseitig angeordneten und beidseitig zu öffnenden Kompressor-Kühlschrank, ein Induktions-Doppelkochfeld und ein großes Spülbecken.
Außer vielen Schubladen für Vorräte und Utensilien gibt es noch einen Backofen, über der Arbeitsfläche hat es natürlich noch Oberschränke.
Oberschränke mit guten Rüttelkanten
Auch über der Sitzgruppe und über dem Fahrerhaus gibt es Oberschränke als Stauraum – besonders positiv zu erwähnen bei einem Fahrzeug, welches auch offroad bewegt werden darf: Alle Schränke haben ordentliche Rüttelkanten, also alles, was zuvor durchgeschüttelt wurde, fällt beim Öffnen der Klappe nicht direkt heraus.
Wobei beim Iveco wäre der Schaden überschaubar, denn den Eiche-Boden mit fünf Millimeter Nutzschicht bekommt nichts klein.
Nasszelle auf Liner-Niveau
Bei der Nasszelle sind wir wieder auf Liner-Niveau: Der Allrad-Weltreisende würde mit Kompost-, Trenntoilette oder sonstiger Technik experimentieren, der Daily setzt auf eine Zerhackertoilette, natürlich mit Keramikschüssel. Geräuschlos, wassersparend, leicht zu reinigen und ohne Chemie – aber auch zerhäckselt braucht man eben eine Infrastruktur, um den Tank zu leeren.
Nicht ganz so luxuriös ist die Dusche. Zwar geräumig, da der ganze Raum zur Verfügung steht, man sollte aber klassisch mit dem Duschvorhang den Bereich etwas eingrenzen, um nicht alles hinterher trocknen zu müssen. Der 175-Liter-Wassertank im Heck und der Elgena-Boiler sollten zwar für autarkes Stehen reichen, und es gibt sogar einen City-Wasseranschluss für den Campingplatz, aber das kurze Abduschen ist stressfreier mit der Außendusche im Heck.
Coole Schlafplatzlösung
Mit seinen rund 4,7 Metern Innenlänge, bei 1,85 Meter Stehhöhe, bleibt natürlich genügend Platz für ein großes Bett im Heck. Zum bequemen Aufstieg gibt es eine klappbare Stufe, denn natürlich ist unterm Bett viel Technik und Stauraum verstaut. Ein ziemlicher Brocken ist die Dometic-Klimaanlage, die den Van mit kühler Luft versorgt. Ganz cool, denn die Ausströmer der Klima sind oben, während die Heizungsausströmer unten sind. Während vorn im Wohnbereich ein großes 60 mal 40 Zentimeter großes Heki für Licht und frische Luft sorgt, ist das „Dachfenster“ im Heck nur durch einen Rahmen erahnbar.
Okay, nicht ganz so cool, denn einmal muss man vorher von außen über die fest an der Seite montierten Leiter auf die großzügige Dachterrasse und das „Penthouse“ aufstellen. Danach kann man aber, abhängig von Größe, Gelenkigkeit und Figur, relativ gemütlich vom Bett im Heck in die Dachwohnung mit tollem Ausblick umziehen. Da auch das Dachzelt 2,0 mal 1,3 Meter Liegefläche bietet, kann man sich täglich darum streiten, ob jetzt das Kind oder die Erwachsenen oben schlafen dürfen.
Alles drin, alles dran. Der Iveco soll alles können, und man soll es auch sehen. Dennoch mit möglichst wenig Verzicht auf Komfort, bequeme Sitze, das Fahrerhaus mit Alcantara bezogen, und was es sonst noch alles gibt. Nicht ganz ungewöhnlich und auch bei diesem Fahrzeug waren schon fast alle bekannten Tuner und Hersteller am Werk – bei Iveco sind es noch deutlich weniger als bei den Mitbewerbern. Nicht unvernünftiger als ein AMG G 63 mit 24-Zoll-Leichtmetall-Rädern und Niederquerschnittsreifen, aber etwas ungewöhnlicher. Für den Besitzer und wie bei einem Individualausbau letztendlich auch Mitentwickler passt alles perfekt – nur an der Basis würde er beim nächsten etwas verändern. Der Daily steht zum Verkauf, damit der nächste gebaut werden kann.
Fazit
Völlig überraschend, wie gemütlich und harmonisch das riesige Schiff über holprige Straßen, Feldwege oder auch leichtes Gelände fährt. Das Fahrwerk spricht fein an, das Getriebe schaltet schön und selbst von den grobstolligen Reifen ist bis Tempo 100 nichts zu hören. Auch vom vollständigen Ausbau: kein Klappern oder Knarzen. Die paar Kubikmeter Armaflex, die zur Isolierung auf dem Blech verklebt wurden, dienen nicht nur der Kälte- und Wärme-Isolierung, sie sind auch Schallschutz. Groß, schwer, teuer – aber wer es braucht, macht mit dem Daily wenig falsch.
Technische Daten
Basisfahrzeug: Iveco Daily 4×4. Vierzylinder-Turbodiesel mit AdBlue und SCR-Katalysator. Hubraum 2.998 cm³, Leistung 132 kW (180 PS), maximales Drehmoment 430 Nm. 8-Gang-Hi-Matic-Wandlerautomatik mit Untersetzung, permanenter Allradantrieb
Maße und Massen: (L x B x H) 723 x 217 x 310 cm, Radstand: 410 cm. Masse im fahrbereiten Zustand: 3.862 kg, zulässige Gesamtmasse: 6.000 kg
Aufbau: Selbsttragender C-Rahmen mit Stahlblechkarosserie. Vorn und hinten Starrachsen. Isolierte Alu-Rahmenfenster. Isolierung Armaflex 19 bis 40 mm. Dachluken 60 x 40 cm. Geräuschdämmende Stoffkaschierung.
Ausbau: Möbelbau von Vanside, Fenix Pappelsperrholz 14 mm mit HPL-Beschichtung, Arbeitsplatte Eiche furniert. Fußboden Eiche mit 5 mm Nutzschicht.
Bett: Heck-Längsbett 200 x 165 cm, Dachzelt 200 x 130 cm
Füllmengen: Frisch-/Grau-/Schwarzwasser: 175 l/110 l /220 l.
Diesel 90 l, AdBlue 22 l
Ausstattung: Dometic Kompressor-Kühlschrank 70 l. Dometic Freshwell-Klimaanlage, Autotherm-Dieselstandheizung, Thetford Zerhackertoilette, Scheel-Mann-Sitze, Victron-Wechselrichter 2.600 Watt, Bulltron-Lithium-Ionen-Akku 300 Ah, Mostvanted-Dachträger, Vickywood-Dachzelt, Evolift hydraulische Hubstützen, Schnierle-Schienen-Sitzsystem, Elgena-Warmwasserboiler, 400-Watt-Solaranlage.
Basispreis (leer): ab 84.455 €
Testwagen (gebraucht): 350.000 €
Infos: www.vanside.de