> Ventje Camper aus den Niederlanden im Praxistest

Camping mit Kerlchen

13.03.2023

Bei der jungen Manufaktur Ventje in der niederländischen Provinz Gelderland entstehen Bulli-Ausbauten mit ungewöhnlichem Grundriss.

Dieses Mal führt uns unser Campervan-Test ein gutes Stück nordwestlich über die deutsch-niederländische Grenze. Die Manufaktur Ventje aus Culemborg hat sich auf den Ausbau von VW T5, T6 und T6.1 spezialisiert. Heute werden in dem vor fünf Jahren gegründeten Ausbaubetrieb rund 300 Ventje-Camper jährlich gefertigt. Zunächst auf den einheimischen Markt fokussiert, richtet sich Ventje seit Kurzem verstärkt auch an Interessenten im europäischen Ausland. Der Grundriss des Ventje-Ausbaus ist so gar nicht „typisch Bulli“, sondern multifunktional, wandelbar, mit einer festen Heckküche und einem erstaunlich geräumigen Raumgefühl. Das Wort „Ventje“ ist im Niederländischen die Verniedlichungsform von „Kerl“ und zudem ein Wortspiel aus „Van“ plus der Niederländischen Wortanhängung „tje“ für etwas Kleines. Also kleiner Van – oder eben Kerlchen.

Die fest eingebaute Heckküche ermöglicht es, sowohl von draußen am Heck als auch von drinnen zu kochen, schränkt aber die Nutzbarkeit als Transport- oder Umzugsfahrzeug ein.

Ventje Camper: Multifunktionaler Ausbau

Unser Testfahrzeug ist ein T5 aus der Ventje-Vermietflotte, die ein knappes Dutzend Fahrzeuge umfasst, und hat entsprechend schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Der Ausbau hingegen ist neuwertig. Mit dem Wagen brechen wir zum Mädels-Wochenende auf. Die Reise führt ebenfalls in die Niederlande, nach De Gouden Hamm an der Maas.

Idylischer Ausblick am Stellplatz: Schon während der Morgendämmerung setzt die Fähre bei De Gouden Ham über die Maas.
Foto: T. Soddemann

Neben uns setzt tagsüber die Fähre zwischen Maasbommel und Megen über, Scharen von Seevögeln fliegen regelmäßig geräuschstark über das Naherholungsgebiet hinweg. Es ist Ende Oktober, doch die Temperaturen sind noch spätsommerlich und laden zum Draußensitzen ein.

Im flachen Auszugfach am Eingang verstecken sich eine 115 x 58 Zentimeter große Tischplatte und steckbare Holzmodule.

Campingstühle muss man, wenn man zu zweit im Ventje reist, nicht mitnehmen. Im Ausbau verbirgt sich nämlich ein besonderes Extra: In dem flachen Auszugfach in der vorderen Sitzbank befinden sich ein zusammensteckbarer Tisch sowie Fußelemente für zwei Sessel. Die Sitz- und Rückenfläche der Sessel wird aus je einem Sitzpolsterelement und einem Rückenpolsterelement des Wohnbereichs gebildet.

Aus den Steckelementen und der Tischplatte aus dem Auszugfach sowie vier Polsterelementen lässt sich zusammen mit zwei Sitz- und zwei Rückenpolsterelementen eine gemütliche kleine Sitzgruppe bauen.

Hat man einmal den Dreh raus, wie die Fußelemente zusammengesteckt werden müssen, sind die durchaus bequemen Sessel und der Tisch innerhalb weniger Minuten aufgebaut. Für ein ausgiebiges Frühstück draußen oder einen gemütlichen Abend am Lagerfeuer ist die zusätzliche Sitzgruppe klasse. Dennoch ist es nicht verkehrt, zusätzlich Campingstühle mit kleinem Packmaß dabeizuhaben: Wenn man nur kurze Zeit draußen sitzen möchte, sind diese immer noch schneller aufgebaut und auch leichter umzustellen.

Die Fußelemente der Sessel sowie die Tischplatte werden wieder im Auszugfach am Eingang verstaut.

Drinnen zeigt sich die Multifunktionalität des Ausbaus: Die vier Sitzpolster- und die zugehörigen Rückenpolsterelemente sind flexibel herausnehmbar. Sie lassen sich zu zwei gegenüberliegenden Sitzbänken, als L- oder U-förmige Lounge, als Sitzbank plus gegenüberliegendem Einzelsitz oder als geschlossene Liegewiese zusammensetzen.

Tagsüber stellen wir die Polster zu zwei gegenüberliegenden Bänken zusammen und klappen den 72 x 56 Zentimeter großen Tisch aus. Auch zu viert könnte man hier sitzen - wobei der Tisch zum Essen für zwei Personen gut dimensioniert ist. Der Abstand zwischen den Bänken ermöglicht genügend Beinfreiheit zum Gegenübersitzen.
 
Die Polsterelemente lassen sich schieben und ganz herausnehmen. Darunter gibt es ordentlich Stauraum fürs Gepäck. Zum Transportieren sehr sperriger Gegenstände eignet sich der Grundriss weniger.

Stauraum für Gepäck und Ausrüstung befindet sich unter den Sitzpolsterelementen. Das größere Staufach misst 122 mal 62 Zentimeter und ist 21,5 Zentimeter hoch, das kleinere hat die Maße 61 mal 61 mal 25 Zentimeter. Ringsum im Ausbau befinden sich zahlreiche weitere, kleinere Staufächer. Sehr praktisch sind die tiefen Fächer hinter der Kocher-Spüle-Kombination sowie hinter dem Tisch im Wohnraum. In diesen lassen sich umfallsicher Öl- oder Weinflaschen transportieren.

Bildergalerie

Gekocht wird bei schönem Wetter draußen am Heck. Sollte das Wetter mal nicht mitspielen, kann man im Ventje auch gut drinnen kochen. Die Stehhöhe bei aufgestelltem Dach variiert zwischen 1,72 Meter bei der Schiebetür und 2,28 Meter direkt vor dem Küchenmodul. Kühlbox und Auszugschubladen für Besteck und Geschirr können auch von innen geöffnet werden. Für die Fahrt werden die Schubladen mit einem drehbaren Schieber gesichert. Die Schubladen sind herausnehmbar und ermöglichen so einfacheres Befüllen oder auch Reinigen.

Das nach hinten öffnende Reimo-Aufstelldach hat zwei seitliche Fenster mit Insektenschutznetz sowie heckseitig ein großes Panoramafenster.

Vorhänge aus Blackout-Stoff verdunkeln bei Bedarf den Wohnraum. Unten schläft man auf einer maximalen Liegefläche von 195 mal 122, an der breitesten Stelle 142 Zentimetern. Das Testfahrzeug hat ein Reimo-Aufstelldach mit zusätzlicher Schlafmöglichkeit. Die rund vier Zentimeter dicke Matratze im Dach misst 190 mal 112 Zentimeter. Das Bett mit Tellerfeder-Unterbau ist eher fest, aber bequem und gemütlicher als die noch etwas festeren, zehn Zentimeter dicken Kaltschaum-Polster unten.

Tellerfedern unter der Matratze des oberen Bettes erhöhen den Schlafkomfort.

Der Weg nach oben will allerdings erarbeitet werden: Um ins Dach zu gelangen, steigt man vom Sitzpolster aufs Küchenmodul und muss dann noch die restlichen 80 Zentimeter Höhenunterschied überwinden. Oben hat man fast Zelt-Feeling, entsprechend frisch wird es jetzt im Herbst nachts ohne Einsatz der Heizung. Zusätzliches Licht gibt es im Aufstelldach nicht, dafür eine kleine Ablagefläche und zwei USB- Anschlüsse zum Anschließen von Handy und Co. Tagsüber muss das Bettzeug unten verstaut werden, um das flache Schlafdach schließen zu können. Dabei passt ein Bettzeug-Set ideal in das große, seitlich eingelassene Fach neben der Sitz- und Liegefläche.

Nachhaltige Ausbaumaterialien und praktische Details

Das Holz für den hell und freundlich wirkenden Ausbau besteht aus zwölf Millimeter starkem Birkensperrholz und Bambus aus verantwortungsvoller Forstwirtschaft, der Boden aus Linoleum. Die Wände sind mit einer fünf Zentimeter dicken Schicht aus Schafwolle isoliert. Eine optionale 2-kW-Standheizung von Webasto erwärmt den Innenraum des Bullis bei kälteren Außentemperaturen.

Statt Campingtoilette ist beim Testfahrzeug eine Art Not-Toilette dabei. Wir haben für unseren Ausflug aber lieber eine eigene Campingtoilette mitgenommen. Beim Bulli mit langem Radstand ist im Ausbau Platz für eine integrierte Toilette. Zudem können gegen 3.500 Euro Aufpreis zwei zusätzliche Sitzplätze entgegen der Fahrtrichtung eingerichtet werden. Zusammen mit einer Sitzbank vorne wird der Wagen dann zum Fünfsitzer. Für den kurzen Bulli kann eine mobile Toilette mitgeordert werden, welche unter die Sitzbank passt.

Wenn man schon in erreichbarer Nähe des Meeres ist, darf ein Ausflug an die Nordseeküste nicht fehlen. Die vielen unterschiedlich großen und tiefen Fächer im Wohnbereich sind gut geeignet, um allerlei Kleinkram, aber auch Bettwäsche oder Öl- und Weinflaschen sicher unterzubringen.

Für gemütliche Stimmung im VW Camper sorgen die in den Ausbau integrierte Lichterkette sowie zwei dimmbare LED-Spots am Fahrzeughimmel. Zum Laden elektronischer Geräte gibt es im Ventje vier USB-Anschlüsse und drei Steckdosen. Auf dem Dach befindet sich ein optionales 180-Watt-Solarmodul, welches die Varta 95-Ah-AGM-Aufbaubatterie an sonnigen Tagen auflädt. Ohne Solar reicht die Kapazität der Batterie bei moderatem Stromverbrauch zwei Tage.

Im Küchenmodul befindet sich ein leicht herausnehmbarer 10-Liter-Kanister für Frischwasser. Damit kamen wir zum Kaffee und Nudelwasser kochen sowie Abwaschen zwei Tage aus. Auf der Abdeckung der Kühlbox befindet sich ein magnetisch gesichertes Küchenbrett aus Bambus. Dieses lässt sich nach hinten ziehen, wo es ebenfalls durch Magnetismus festgehalten wird. Nach dem Schneiden von Gemüse oder Obst schiebt man das Brett wieder nach oben, öffnet das Müllfach daneben und hebt die Kühlbox-Abdeckung mitsamt Brett seitlich an, um die Abfälle schnell zu entsorgen.

Mit der Fähre überqueren wir mit dem Camper die Maas.
Foto: T. Soddemann

Bei Ventje hat der Kunde die Wahl, ob er ein günstigeres Gebrauchtfahrzeug oder einen neuen Volkswagen T6.1 haben möchte, wobei der Ausbau immer neu ins Fahrzeug eingebaut wird. Vor Ort hat die Manufaktur aktuell rund 50 Gebrauchtfahrzeuge zum Verkauf oder organisiert gegen Gebühr ein Basisfahrzeug nach Wunschkriterien. Der Preis für einen gebrauchten T5 mit neuem Ausbau und deutschem TÜV startet bei 55.000 Euro. Für einen werksneuen T6.1 mit Ventje-Ausbau zahlt man ab 75.000 Euro. Bulli-Besitzer können sich ihr Fahrzeug bei Ventje ab 27.500 Euro ausbauen lassen. Die Wartezeit auf einen Ventje Camper beträgt aktuell neun Monate ab Bestellung. www.ventje.com

Infobox

  • Basisfahrzeug: Volkswagen Transporter ab Generation 5.2,
    Testfahrzeug: VW T5 2.0 TDI, 140 PS, Vierzylinder mit 7-Gang-DSG-
    Schaltgetriebe, 1.968 ccm Hubraum, Frontantrieb
  • Maße und Massen (Testfahrzeug): (L x B x H) 490 x 230 x 205 cm,
    Radstand: 300 cm. Masse im fahrbereiten Zustand: 2.201 kg (Herstellerangabe),
    zulässige Gesamtmasse: 2.800 kg
  • Aufbau: Stahlblechkarosserie mit Verdunklungsfenstern im Wohnbereich.
    Isolierung Wände 5 cm Schafwolle, Boden 1 cm Synthetikmaterial
  • Betten: 195 x 142 cm, im Aufstelldach: 190 x 112 cm
  • Füllmengen: Frisch-/Abwasser: je 10 Liter, Gas: 2,75 kg,
    Diesel 70 l, AdBlue 14 l
  • Serienausstattung (Auszug): 26-Liter-Kompressorkühlbox, Spülbecken mit
    Zweiflammkocher, Ausbau aus zertifiziertem Bambus und Birkensperrholz,
    zusätzlicher Außentisch inkl. 2 Outdoorsesseln, Lichterkette, Verdunklung,
    Ventilation
  • Sonderausstattung (Auszug): Reimo-Aufstelldach mit Bett, Fiamma-Markise,
    Solaranlage, Fiamma-Fahrradträger, Webasto-Dieselstandheizung
  • Testverbrauch: 7 l/100 km
  • Grundpreis: ab 55.000 € für gebrauchten T5,
    ab 75.000 € für neuen T6.1
    Testwagen: 57.500 €
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